Religionswissenschaft (Science of Religion)

BA/MA-Seminar: Verschmäht | Vergöttert. Anomalien des Körpers als Objekte religiöser Diskurse

Mittwoch, 20.03.2024

Bis zum 16. Jahrhundert wurde in Europa eine Anomalie des Körpers entweder als ‘Naturspiel’ oder als ein ‘Omen’ –ein ‘Gotteszeichen’ oder ‘Warnung’ – gedeutet. Das Wort ‘Monstrum’ kommt von dem lateinischen monere, was ‘erinnern’ oder ‘warnen’ bedeutet. Erst im 19. Jahrhundert wurden Anomalien des Körpers im Rahmen der damals entstehenden Teratologie studiert. Die neue medizinische Disziplin löste die Anomalien des Körpers von religionsbezogenen Deutungen ab und machte sie zu Objekten der wissenschaftlichen Untersuchung.
Unabhängig vom Kulturraum haben Menschen mit abweichenden körperlichen Merkmalen – je nach dem Grad ihrer «Verhüllbarkeit» – immer eine soziale Reaktion erzeugt. Im unmittelbaren Moment des Augenblicks gehörten Abneigung, Lächeln oder explizit ausgedrückte Abscheu zu den üblichen Ausdrücken des Widerwillens, eine Anomalie als Teil der Gesellschaft anzunehmen. Folglich wurden Menschen mit körperlichen Anomalien entweder an den Rand der Gesellschaft gedrängt oder sogar physisch eliminiert. Religion spielte dabei eine bedeutsame Rolle – neben der Legitimation, Menschen mit körperlichen Anomalien als Manifestationen des «Bösen» aus der Gesellschaft zu verdrängen, haben verschiedene religiöse Traditionen solche Menschen auch als Objekte religiöser Achtung oder sogar Verehrung anerkannt. In diesem historisch-orientierten Seminar werden wir durch zeitliche und kulturelle Räume wandern, in denen Anomalien des Körpers noch nicht durch die medizinische, sondern hauptsächlich durch die religiöse Sprache behandelt wurden. Anhand von historischen Beispielen aus europäischen und asiatischen kulturellen Räumen in bildlichen und textuellen Quellen erfahren wir, wie Menschen, deren Körper von den damaligen sozialen Normen abwichen, behandelt wurden und welche Rolle dabei eine religionsbezogene Sprache spielte. Zudem werden wir besprechen, wie bestimmte körperliche Anomalien zu Merkmalen religiöser Macht geworden sind.

Dozierende(r): Dr. Piotr Sobkowiak
20.03.2024:14:15 - 16:00
Ort:EG, Unitobler F014
Unitobler
Lerchenweg 36

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