Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft (German Studies)

Aufstand, Freiheitskampf, Tyrannenmord. Rebellion und Heldentum von Shakespeare bis zum Postheroismus

Mittwoch, 20.03.2024

Sind Rebellen Helden? Oder sind sie, solange sie rebellieren und das Urteil der Geschichte über sie noch nicht gefällt ist, ambivalente, potenzielle Figuren, bei denen sich erst noch entscheiden wird, ob sie als Tyrannenmörder, Befreier oder Staatsgründer gefeiert oder als Schurken, Querulanten oder Terroristen verurteilt werden? Der Kurs widmet sich Rebellen und Rebellion als Heldenmuster und heroischem Erzählmodell von Literatur und Kunst. Zugleich fragen wir nach Problematisierungen und kritischen Positionen, die Aufstand und Empörung nicht heroisieren, sondern hinterfragen oder sogar ablehnen. Wir schlagen dafür einen großen kulturgeschichtlichen Bogen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart: Ausgehend von den Königsmorden und Herrschaftskonflikten bei Shakespeare (u. a. Richard II und Macbeth) über die Konjunktur aufklärerischer Rebellionsdarstellungen in Sturm und Drang und deutscher Klassik (u. a. Schillers Die Räuber, Don Karlos und Wilhelm Tell, Goethes Prometheus, Götz von Berlichingen und Egmont, aber auch ambivalente Figurationen wie Kleists Michael Kohlhaas) bis hin zu Parodien und Rebellionssatiren im 20. und 21. Jahrhundert (u. a. Max Frischs Wilhelm Tell für die Schule, Thomas Brussigs Helden wie wir). Daraus ergeben sich drei literarhistorische Schwerpunkte um 1600, um 1800 und um 2000, die verschiedenen Phasen und Ereignissen in der langen Geschichte politischer und sozialer Rebellionen entsprechen: Absolutismus und Achtzigjähriger Krieg; Aufklärung, Amerikanische Revolution und Französische Revolution; 1968, Mauerfall, Postheroismus. Innerhalb dieses literarischen und historischen Spektrums kommen unterschiedliche Rebellionsgründe und -auslöser in den Blick: Unrecht und Machtmissbrauch, Willkür- und Fremdherrschaft, Verfolgung und Zensur, Unterdrückung und Diskriminierung, Ungleichheit und Unfreiheit etc. Angesichts aktueller Rebellionsbewegungen unserer Gegenwart (u. a. ‚Occupy Wall Street‘, Femen, ‚Fridays for Future‘, aber auch der Sturm aufs US-Kapitol am 6. Januar 2021, Corona-Demonstrationen und Proteste gegen die ‚Zertidiktatur‘) stellt sich schließlich die Frage nach der Legitimität von Rebellion in Demokratien und partizipativen Regierungsformen. Wir werden diskutieren, welche Rolle Literatur, Künste und Medien bei der Verhandlung dieser Fragen spielen können.

Dozierende(r): Dr. Thomas Nehrlich
20.03.2024:12:15 - 14:00
Ort:1. UG, Seminarraum F -122
Unitobler
Lerchenweg 32-36

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