Kunstgeschichte

Hauptseminar Architekturgeschichte und Denkmalpflege: Utopie / Dystopie. Architekturentwürfe für «perfekte» Gesellschaften

Mittwoch, 20.03.2024

Ist die Grundvoraussetzung einer architektonischen Utopie ihre Nicht-Realisierbarkeit? Ist eine «megalomane» Stadtplanung gleich «dystopisch»? Wo verlaufen die räumlichen und ästhetischen Grenzen zwischen einer umfassenden Gesellschaftsreform und einem totalitären Staatssystem? 1516 begründete Thomas Morus mit der Schrift Utopia die Gattung des utopischen Romans. Detailliert beschrieb er einen idealen Inselstaat bestehend aus 54 rational konstruierten Planstädten mit einer proto-kommunistischen Gesellschaftsstruktur. Davon ausgehend wurden Utopien / Dystopien in der frühen Neuzeit vornehmlich als sozial-räumliche Konstellationen formuliert. Ab dem 18. Jahrhundert wurden Utopien / Dystopien nicht mehr nur räumlich gedacht, sondern erhielten vermehr eine temporale, dynamische Dimension als Zeit- und damit Zukunftsvisionen. Aus Perspektive der Architekturgeschichte sind Utopien/Dystopien damit einerseits Entwürfe der räumlichen Manifestation gesellschaftlicher Ordnung, also Neuordnungsversuche, andererseits Ausdruck der Kritik an bestehenden Zuständen, der gebauten Umwelt und sozialen Strukturen, also dezidierte Gegenentwürfe. Die Zeichnung, der Entwurf oder die Collage als streitbares Plädoyer und Medium der Visualisierung entwickelten somit vielfach revolutionäres Potenzial. Dabei erscheinen Utopie und Dystopie zunächst als Gegensätze, doch was für die einen eine hoffnungsvolle Vision des guten Lebens ist, ist möglicherweise für andere die totale Dystopie. Das Seminar setzt sich einerseits kritisch mit ausgewählten Schriften zu den Konzepten von Utopie / Dystopie auseinander. Andererseits analysiert es anhand ausgewählter ikonischer Beispiele, die Voraussetzungen und Eigenschaften für die Einordnung eines Bauwerks oder einer Stadtplanung als Utopie / Dystopie. Wir werden diskutieren, wie sich solche Zuschreibungen und auch unsere Vorstellungen von Utopie / Dystopie seit dem 18. Jahrhundert bis heute verändert haben. Ausgewählte Fallbeispiele, die im Seminar analysiert und verglichen werden, konzentrieren sich grob auf vier Untersuchungszeiträume: Revolutionsarchitektur des ausgehenden 18. Jahrhunderts; Sozialutopien des frühen 20. Jahrhunderts; Megastrukturen der Postmoderne der 1960er und 1970er Jahre; und zeitgenössischen Utopien. Sie sind herzlich eingeladen, eigene Fallbeispiele und Lektürevorschläge einzubringen.

Dozierende(r): Prof. Dr. Laura Hindelang
20.03.2024:16:15 - 17:45
Ort:1. Etage, 120
Uni Mittelstrasse
Mittelstrasse 43

Sie können diese Veranstaltung in ihrer persönlichen Agenda speichern. In Ihrer persönlichen Veranstaltungsübersicht finden Sie alle relevanten Detailinformationen zu Ihren gespeicherten Veranstaltungen zum Ausdrucken.